Wären nicht die Plakate mit seinem Konterfei, man würde den Wahlkämpfer im Landkreis Miesbach nicht ausmachen können. Bislang sind vom Direktkandidaten der AfD, Constantin Prinz von Anhalt-Dessau, hier keine öffentlichen Auftritte bekannt. Doch auf Youtube kursiert ein Video des oberbayerischen Kreisvorsitzenden.
Obwohl er auf die Bühne des Bundestags in Berlin will, scheut der Tegernseer offensichtlich die Öffentlichkeit. Es könnten ja Fragen zu seinem Wahlprogramm kommen, denn „unser Land – unsere Heimat“, wie sich der 69-Jährige auf Plakaten vorstellt, ist recht allgemein. Denn inzwischen ist das Kult in Bayern: Da bin i dahoam.
Doch Prinz von Anhalt zielt damit auf die „zunehmende Islamisierung Deutschlands“ und deren „no-go-Areas“ in manchen Großstädten. Auf einer AfD-Veranstaltung kürzlich in Bad Tölz mit Constantin von Anhalt und etwa 60 Parteifreunden ließ man die Katze aus dem Sack. Der Gastredner Nicolaus Fest prophezeite laut Merkur „das Ende der europäischen Zivilisation“. Man müsse die Weltanschauung des Islam „als Feind benennen und vernichten“.
Von der Veranstaltung mit AfD-Plakaten „Hol dir dein Land zurück“ ist nur überliefert, dass die Partei im Wahlkreis Bad Tölz/Wolfratshausen und Miesbach 72 Mitglieder habe und man „wachsen“ wolle, so der Prinz mit Verweis auf das Spendenkonto.
Echter Prinz verärgert über AfD-Prinz
Auf dem Youtube-Video ist zu erfahren, dass er zwar wirtschaftlich nicht auf die EU verzichten, aber den Ländern ihre Eigenständigkeit zurückgeben wolle. Gefragt, ob er dem Missbrauch des Asylrechts durch eine Grundgesetzänderung begegnen will, meinte der Adlige um Worte ringend, wo es um Rückführungen gehe und gehandelt werden müsste, sei dies wegen gesetzlicher Vorgaben bisher nicht möglich gewesen. Daher müsste „dies beendigt“ werden.
Es könne nicht sein, „dass wir uns aufgrund von Gesetzeshürden selber Probleme machen“. Klarstellen wolle er, „dass die Gesetze für uns da sind und nicht wir für die Gesetze“. Viel mehr ist über sein Wahlprogramm nicht zu erfahren. Nur noch, dass die AfD keine Koalition eingehen und nicht auf Ministerämter schielen solle, sondern eine „ganz klare Opposition macht“. Vorgestellt wurde er als Constantin Prinz von Anhalt-Dessau. Doch inzwischen scheint er von dem Zusatz Dessau abgerückt zu sein, nachdem erhebliche Zweifel an seiner Vita auftauchten, mit der er hausieren ging.
Denn Eduard Prinz von Anhalt sagt, er kenne den Mann nicht. Und: „Als Chef der Familie kann ich rechtlich nur feststellen, dass dieser genannte Herr nicht von der Familie Anhalt abstammt und ich mich weigere, sein Onkel zu sein.“ Der bayerische Prinz könne nur auf zwei Wegen zu seinem Namen gekommen sein. „Entweder er hat ihn gekauft“, so der Anhalt-Chef. Aber dann dürfte er nicht im Pass stehen. „Oder er hat ihn durch Adoption oder Ehe erworben“.
Zweifel am eigenen Lebenslauf
Laut eigenen Angaben studierte der Tegernseer „Prinz“ Wirtschaftswissenschaften, später Kunst. Er war für das Auktionshaus Sotheby’s tätig und wurde zum Sonderbotschafter des britischen Johanniterordens „Order of Saint John“ ernannt, zuständig für das Fürstentum Monaco und die Bundesrepublik Deutschland. Zumindest steht es so auf der Website des AfD-Kreisverbandes.
Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung wird es noch diffuser, wenn es um die Schullaufbahn von Constantin Prinz von Anhalt geht. Die „Famous Art International School“ in München, an der er Kunst studiert haben will, kenne niemand, weder im Bildungsministerium noch an der LMU. Bekannt ist dort nur ein hochumstrittenes Fernlehrinstitut in den USA, das in den Siebzigerjahren auch in München aktiv gewesen sein soll.
Dasselbe Spiel in Calw. Der AfD-Mann will dort mit Mittlerer Reife an einer Höheren Wirtschaftsschule Wirtschaftswissenschaften studiert haben. Laut SZ hat es aber eine solche Einrichtung in Baden-Württemberg nicht gegeben. In den AfD-internen Unterlagen ist plötzlich von einer „Spörer Schule“ die Rede. Nachweislich habe es in Calw aber nur die „Spöhrer Handelsschule“ geben.
Die AfD wollte sich zu solchen Detailfragen nicht äußern. Auch auf Nachfrage der Tegernseer Stimme bleibt die Pressestelle wortkarg und verweist auf ihre Erklärung. „Es wurde weder von ihm selbst noch von der AfD an irgendeiner Stelle angegeben, dass er Abitur oder gar einen Hochschulabschluss besäße“.
Auf der AfD-Homepage ist noch zu lesen, dass „Herr von Anhalt Dessau seit 2014 in Tegernsee lebt und als zugelassener Auktionator und Unternehmensberater in den Bereichen Kunsthandel und Galerien arbeitet“. Ob der Adelstitel die nötige Schubkraft bringt, wird der 24. September zeigen. Bei der CSU wird das Abschneiden der AfD sicher aufmerksam verfolgt. Denn nach der Wahl ist bekanntlich vor der Wahl und im nächsten Jahr ist Landtagswahl.
Den Meinungsumfragen zufolge haben sechs Parteien berechtigte Chancen nach der Wahl am 24. September in den Bundestag einzuziehen. Die Stimme stellt deren Direktkandidaten für den Wahlkreis 223 Bad Tölz- Wolfratshausen/Miesbach in einer täglichen Folge vor.
Diese Kandidaten wurden schon vorgestellt:
Alexander Radwan (CSU)
Fritz Haugg (FDP)
Karl Bär (Grüne)
Hannes Gräbner (SPD)
Andreas Wagner (Die „Linke“)